weid sama kuma
Heinz D. Ditsch: Akkordeon, Singende Säge, Gesang
Paul Skrepek: Kontragitarre, Perkussion, Gesang
Wolfgang Vincenz Wizlsperger: Gesang, Euphonium
Kollegium Kalksburg | Das Wort "dilettieren" hat seinen Ursprung im lateinischen "delectare" und beschreibt, wenn sich jemand mit Leidenschaft einer bestimmten Tätigkeit widmet. Beim Kollegium Kalksburg treffen sich drei solcher Art im besten Sinne des Wortes tätigen Kapellmeister und musiciren sich mit Herz, Leib und Kehle durch die Tradition des berauschenden Wienerlieds.
Unter dem Motto "Was wäre Wien" verpflichteten sich anlässlich des Herz.Ton.Wien. Festivals im März 1996 drei Jazzmusiker freiwillig der Wiener Gesangs- & Musicirtradition. In diese schwere Pflicht genommen, singen & musiciren die drei pflichtbewussten Wiener seither ausschließlich Original Wienerlieder in 1a Prima Qualität. Vom Jazz (Alkohol ist keine Lösung) bleibt nur der Atem. Selbst die mit heißem Bemühen durchaus studierten Instrumente (Kontrabass, Fagott, Schlagwerk) bleiben ungezupft, ungeblasen und ungeschlagen zu Hause. Gezupft wird eine Kontragitarre, geblasen ein Kamm, gezogen eine Harmonika, gestrichen eine Säge und jede außerwienerische Erfahrung aus dem Gedächtnis.
Es wird gesungen. Es wird Gereimtes und Ungereimtes gewaltsam zum Vortrag gebracht. Es wird ein Wein sein. Erfrischungen werden wie von Geisterhand gereicht (der Wein ist eine tragende Säule der Kalksburger Abendkonstruktion!), die Akteure mischen sich zwanglos unter das glückliche Publikum und die Erinnerung an Außerwienerisches (Wodka) kehrt langsam wieder zurück. In gemütlichem Geplauder über Lutoslawskis begrenzte Aleatorik klingt so ein Abend üblicherweise aus...
"Aus flaschengrünen Pathos-Splittern, präalkoholischer Aggression, postalkoholischer Weinerlichkeit und exzessivem Selbstmitleid erwuchsen monströse Wiener Gestalten, wie man sie seit den seligen Tagen eines Helmut Qualtinger nicht mehr vorgeführt bekam." (Die Presse)
"Die abgehackten Dialoge wirken improvisiert, die Gestik ist skurril bis wahnsinnig... es ist immer wieder frappierend, wie perfekt hier die Panne geplant ist... der Wein fließt in Strömen. Kein Zweifel, das ist kein sogenannter Bühnenwein..." (Passauer Neue Presse)
"Werden die Strottern meistens in einem Atemzug mit den Beatles genannt und das Trio Lepschi gerne mit den Beach Boys verglichen, so weiß man beim Kollegium immer nie nicht so recht wohin damit: Stones, Zappa... oder doch Heinz Conrads?" (EnnstalerIn)
... und zwei schöne Besprechungen gibts auch schon:
A/ 'Bessa wiads nimma' hieß es gleich von Anfang an, das war 1997. Euphorie auf Wienerisch. 'S spüt si o', 'imma des söwe', 'wiad scho wean' waren die Gemütsschwankungen der Herrn Ditsch, Skrepek und Wizlsperger in den folgenden Jahren. Das Wienerlied wurde gepanscht mit Jazz, Punk, World. Philosophiert wurde über alle möglichen menschlichen Unzulänglichkeiten von A wie 'antschechern' bis Z wie 'zizerlweis'. Tiefgelegte Unterhaltung auf höchstem Niveau. Ein Gemischter Satz, oft probiert nachzupanschen, nie erreicht.
'Weid sama kuma' heißt es jetzt: Die wilden Tage sind vorbei und die Kollegen feiern die Ausbeute, sowie die ersten angegrauten Haare. Wurde letztens noch Wein, Weib und Gesang gehuldigt, kommen jetzt vermehrt Sachthemen wie Arten(ge)recht, Rauchverbot oder der Fleischhacker und das 'Bradl in da Rean' zum Zug. Tja, Essen ist der Sex im Alter. Aber wer die Kollegen aus Kalksburg kennt, weiß, es wird nicht so heiß gegessen wie gekocht, und schon bald könnte es wieder tönen: 'amoi geds no'. Dringende Empfehlung.
Mario Lang, im Augustin No.355
B/ Obwohl längst mit Legendenruf umkränzt, haben es Wolfgang V. Wizlsperger, Heinz D. Ditsch und Paul C. Skrepek nur bis zum Regionalkaisertum gebracht. In Bezug auf darstellerisches Talent und Interpretationskunst sind sie allerdings unschlagbare Weltmeister und das, obwohl oder gerade weil die kompositorischen Maschen oft kein kompliziertes Norwegermuster zeigen, sondern glatt-verkehrt gestrickt sind. Potenzial vergoldet mit Grandezza, könnte frau meinen. Vielleicht ist es mir wegen der mehrschichtigen und nuanciert dargebotenen Texte noch nie so aufgefallen, aber die nähe von Kollegium Kalksburg zum Volksmusik- und Wienerliedmuster ist größer als ich dachte – mit einer Titeletikette wie fiaka foan (11) hat das allerdings wenig zu tun. Mit steigender Trackzahl auf dieser CD wird aber ein immer anspruchsvolleres Zopfmuster eingeflochten, um beim fleischhokka(14) seine volle querulante Maschenbreite zu grunzen. Das CD-Entrée führt uns zunächst in jenes hölzern-unheimliche Dunkel, wie es hier blauboad (1) von Ernst Kölz baut. Aber dann taucht auch schon Kasperls Krokodil aus der Urania auf (wer mag, kann dahinter die Kollegium Kalksburg Silhouette erkennen). Es war und ist nicht artig, hat oft eins über die Rübe gezogen bekommen, gibt aber die Arschkarte unter kollektiver Mitleidsbekundung weiter. Es wälzt im Sülzchen der Selbstbejammerung und gefällt sich im eigenen Spiegelbild doch recht gut – mit Recht! Es planscht ja nicht im Nil, sondern in der Donau. Rührselig zwinkern uns die drei Scheinpensionisten zu, während sie im Kreis gehen, ihren sich selbst frotzelnden Abgesang anstimmen, die Blumen im Schnee vergraben, um sie dann doch wieder hervorzuholen und sie als sterbende CD in der Blumenvase auf dem Tisch drapieren. Wehleidig, empfindlich, fast weinerlich mutet das Krokodilkollegium in seiner Lebenszwischenabrechnung an. Eine ernste Sache, ganz im Gegensatz zum hoffnungsfrohen CD-Titel weid sama kuma. Aber nein, keine Sorge, der Schein trügt, es sind Krokodils-tränen. Die positive Kraft des Zweckpessimismus, ein ins Gegenteil kippendes Phlegma, lässt doch die Freude erst so richtig auferstehen! Die nahrhaften woidfiadla (7) geben Kraft und überholen mit südamerikanischen Heimatklängen Mimesis und Epigonentum. Was bei anderen auf zwei Gitarren aufgeteilt wird, zupft sich Skrepek allein, Wizlsperger vermag sich im Papageienkäfig sonor oder kräftig zu geben, während Ditsch unbeeindruckt vor sich hin melodiert, kreiert und ziert. Dialekt in Hochsprache übersetzt, fühlt sich ungefähr so an wie ein gegenderter Liedtext. In derreimschule rennweg (8) verbindet Kollegium Kalksburg in Simultanübersetzung beides und multipliziert damit das Potenzial des absurd Realen. Dass die Krokodile auch anders können, zeigt das poetische Nachtgewächs in seiner existenziellen Not (9) – hier klingt sogar der Bläser sehnsüchtig, die Herzen fliegen flach. Georg Danzers Zeitansager wirft aber das Handtuch (12) und sein nicht jugendfreier Freund voaschdodcasanova (13), der als fescher Gustl mit seiner immer harten 'Röhrn' durchs Leben spukt, begrüßt im Nachspann mit 'autumn leaves' die Pforten der Nacht. Im Dunkeln ist aber gut funkeln. Als vorletzte Nummer lässt Antonio Fians Musik-Dramolett zum 1. Mai den vom Rauchverbot geschwächten, auf drei Tapfere geschrumpften Arbeitermassenchor aufmarschieren und das allseits bekannte 'Völker, hört auf zu rauchen!' ansingen (17). Ohne Verdrossenheit und Schwarzblick geht’s bei Kollegium Kalksburg nicht, keine Chance auf ein Weiterkommen ohne diese Vorzüge. Vorwärts, liebe Kollegen! Und nehmt uns bitte unbedingt mit, denn zum Greisentum ist’s noch soooo weit ...
Ich kann dem werten Leser eine Empfehlung zu dieser Rezension geben: Lassen Sie sich die wahre Geschichte direkt von der CD erzählen!
Iris Mochar-Kircher im 'Bockkeller' Nr. 5, 2013 wvlw.at
1| Die CD ist tot, die Extraplatte Geschichte – und den Kollegen geht's auch schon ziemlich schlecht. Trotzdem haben jetzt die drei Kalksburgexistenzen – zugegeben: stark verzögert und nach einigem Hin und Her – doch der alten Gewohnheit nachgegeben, stur eine CD nach der anderen zu produzieren. Allen Unkenrufen zum Trotz, aus gehabtem Schaden natürlich wieder nichts gelernt!Weid sama kuma, mid de boa Liada! sagte Skrepek zu Ditsch an diesem sonnigen Herbsttag in Luzern, erinnerte sich, wieder zurück in Wien, Wizlsperger, und wollte dieses Bonmotscherl sogleich zum Titel des neuen Machwerkes erheben. Und außerdem, so Ditsch zu Wizlsperger, hat doch da Antonio (Anm.: Fian) einen Text mit ähnlichem Titel der Kalksburg gewidmet. Richtig, bemerkte Skrepek, aber sollten wir unsere neue CD nicht einfach 'niggs neichs' betiteln, um dem einzig verbliebenen Musikredakteur Österreichs den Wind aus den Segeln zu nehmen, von dem wir uns, wie auch beim letzten Mal, und beim vorletzten Mal, und eigentlich jedes Mal den Vorwurf gefallen lassen mussten, nur 'imma des söwe' zu schaffen? Immer wieder diese Suche nach dem ewig Neuen, diese zermürbende, nie enden wollende Mühsal des sich immer wieder neu erfinden Sollens ... Ebendas lehn' ich ab! fiel ihm Wizlsperger unvermittelt ins Wort. Nie und Nimmer! Nicht mit uns! so Ditsch etwas zu theatralisch. Und Ja!eigentlich, so alle Drei unvermutet unisono, weid sama kuma! (hdd)
2| Es ist aber doch auch immer wieder bewegend (und zwar schon mindestens seit dem Sechundneunzigerjahr, uns selber bei diversen Stangen haltend, die ewigen Fragen noch immer nicht einwandfrei beantwortet zu haben: Wer sind wir? Wohin gehen wir? Warum trinken wir?) das Produkt letztlich doch fix fertig, zum Ohrenschmause feilbieten zu können, dem geneigten Gast, ob zufällig oder treu seit Anbeginn, weil da klingt's Schwarz auf Weiß, abwaschbar und wischfest, immer wieder perfekt – Daheim und auch auf Reisen. Kein Bangen: Was wird heute wieder passieren? Was werden die wieder intus haben? Was werden die sich noch zumuten? Werden sie uns, sich doch noch amüsieren lassen, wir, gar beglückt von dannen ziehen (nämlich Sie, das werte Publikum)? Oder wieder desaströses Gefauche und Gezanke, Scherben überall und auch Schäden am Interieur, von Klangkunst keine Spur. Eben, darum gar nicht schlecht was in der Hand zu haben, als Trost, wenn's wieder kracht und bröselt ... sollte es aber doch gut ausgegangen sein, na um so besser ... (pcs)
3| 'Niggs Neichs' ... na ja, zum Teil stimmts ja, auf der anderen Seite aber: es sind schon ein paar neue Liedeln drauf, nur sind die halt oft ein bisserl kurz geraten – aber sicher nicht zu.
Und überhaupt: Sämtliche 'weid sama kuma'-Titel wurden noch nie(mals) auf einem Tonträger oder sonstwie oder -wo mehr oder weniger haltbar veröffentlicht (juhtuhb gilt nicht, da können wir nichts für), dafür leg ich beide Hände (ja, die eigenen) ins Feuer meiner Leidenschaft! Also. Können wir schon mit aller gebührlichen Nachdrücklichkeit sagen: Immerhin. Und. Es ist was es isst, sagt die Liebe, die ja bekanntlich durch den Magen geht. Und. Die Liebe und ein Quäntchen Todesangst sind es auch, die uns immer wieder antreiben, unsere Ergüsse – und mögen sie noch so klein und unbedeutend sein – auf silbrig glänzende Scheibchen (Sondermüll) pressen zu lassen. Und. Oder. Auf kalten Festplatten (auch Sondermüll) zu speichern und somit(?) für die p.t. Nachwelt (Enkerln etc.) zu erhalten. Ja. (wvw)
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